FEMUND 300 - 2005
 
Es ist Donnerstag, der 03. Februar 2005.
Wieder in Röros. Nach dem Abbruch im letzten Jahr sind wir wiedergekehrt, um das Femund 300 in diesem Jahr durchzufahren. Die Voraussetzungen sind nicht optimal, aber gibt es Diese überhaupt? Ich habe schon jetzt gemischte Gefühle. Wir stehen mit unserer „grünen Minna“ auf dem geräumten Fußballplatz, von dem auch gestartet wird. Alle Zimmer sind belegt und wir wollen, auch um Geld zu sparen, im Auto schlafen. Es sind nur 0 Grad. Das Training in den letzten 3 Wochen unseres Schwedenurlaubs ergab „nur“ 750 Kilometer im Schnee. Auch dort war es dieses Jahr nur zwischen 0 und –15 Grad warm. Wir hatten Regen-Sturm-Tiefschnee-Eis-offenes Wasser, halt Alles- nur keine Kälte. Und das Team ist nicht so zusammengestellt wie es sollte. Rolo und Hexe sind verletzt und Katie ist gedeckt. Hermes will in dieser Saison nur sprinten. Also, Iceman muß dafür mit. Er wird das Rennen nur teilweise laufen können, da er etwas weniger Training hatte. Aber ich fahre mit Elkes Schlitten und der ist leichter. Auch haben wir meine Ausrüstung optimiert. Unsere Ausrüstungsliste liegt natürlich trocken und warm in Deutschland. Bekannte in Schweden haben uns noch kurz vor der Abfahrt eine Liste in norwegisch ausgedruckt und übersetzt. Der Schlitten wiegt gut 20 Kilo weniger als beim letzten Start.
Beim Frühstück sieht man bekannte und fremde Gesichter. Die Anmeldung läuft ab 10. 00 Uhr. Mit holprigem Englisch werden die Formalitäten mit den Offiziellen erledigt. Den zeitlichen Ablauf kann man , mit ein bisschen raten und lautem Vorlesen der, natürlich in norwegisch geschriebenen Racezeitung entnehmen. Gut das wir früher „Werner-Comics“ gelesen haben. Auch die „Schulung“ durch das schwedische Fernsehprogramm hilft. Ausländische Filme werden nicht synchronisiert, sondern mit Untertiteln versehen. So hat man doch eine gewisse Übung im Umgang mit den nordischen Sprachen. Die Startnummern wurden ausgelost und ich habe die Nummer 8. Super! Starten aus der ersten Reihe. Dann ist der Trail noch besser, als wenn ich wieder am Ende starten müsste. Vor dem Büro treffen wir andere deutschsprachige Teilnehmer. Die Gerüchteküche brodelt. Es heißt es liegt so viel Schnee, wie in den letzten 40 Jahren nicht mehr. Und es gibt viel offenes Wasser auf den zahlreichen Seen, die wir überqueren müssen. Das „beruhigt“ mich natürlich ungemein.
Schlafe trotzdem gut.

Die Musherbesprechung ist am Freitag um 15. 00 Uhr. Die Teilnahme ist Pflicht. Hier wird nochmals die Anwesenheit überprüft. Alles läuft auch hier in norwegisch. Dann kommt Wolfgang. Ein Deutscher der in Norwegen lebt. Auch er gehört zu den Offiziellen. Für alle deutschsprachigen Anwesenden gibt es eine Zusammenfassung am Ende. Er gibt uns den Rat in ca. 2 Stunden wiederzukommen. Die Besprechung dauert dann doch fast 3 Stunden. Für uns bleibt dann eine ganze Viertelstunde für die Erläuterungen, da die Vorbereitungen für den Start des 500 km-Rennen in vollem Gange sind. Die Gerüchte sind wahr. Schnee wie schon lange nicht mehr. Mehrere Overflows auf der ganzen Strecke. Streckenweise sehr tiefer Schnee, gerade oben auf dem Berg und starker Nebel und außerdem ein starker Wind. Plötzlich gibt es eine lebhafte Diskussion über die Pflichtausrüstung. Die englische Übersetzung im Internet wäre falsch. Man benötigt eine Anbindeleine aus Stahl oder eine Kette von 1, 5 m pro Hund im Team. Nicht nur für die Hunde die das Rennen verlassen, das wären max. 3. Nach einer halben Stunde beendet ein Offizieller entnervt die Besprechung mit dem Ausspruch: so sind die Regeln und Schluß. Weitere lebhafte Gespräche auf dem Stakeout mit anderen Mushern. Einhellige Aussage: kann man ruhig ignorieren. Pack 3 Leinen ein und Schluß. So machen wir es.
Nun ziehen wir in die Stadt, um den Start der 500er zu sehen. Gestartet wird mitten auf der „Mainstreet“. Die Teams stehen an ihren Fahrzeugen in 2er Reihe an der Hauptstrasse. Um 20. 00 Uhr startet das erste Team direkt am Auto. Unter viel Getöse und angefeuert durch die zahlreichen Zuschauer rasen die Teams durch die Stadt. Die 300er brauchen dieses Jahr nicht durch Strassen der Stadt zu starten. Direkt vom Fußballfeld geht es auf die Strecke. Oh Gott - morgen sind wir dran. Meine Nerven liegen blank. Die Hunde machen einen guten Eindruck.
Was mich aber nicht besser einschlafen lässt.

Start - auf nach Langen . 45 km.

6. 45 Uhr. Bin schon vor dem Wecker wach. -1Grad. Leichter Schneefall. Mein Magen zieht sich zusammen. Um 11. 07 Uhr soll es losgehen. Die Hunde sind ganz ruhig. Unheimlich ruhig. Haben sie doch so viel gelernt in den letzten Wochen? Ich habe wohl nix gelernt.
Jetzt stehen wir auf unserem Startplatz. Der Schlitten ist gepackt. Natürlich kommt die Überprüfung der Ausrüstung. Also- Alles wieder hervorkramen. Keine Rede mehr von den Anbindeleinen. Gottseidank! Das Team steht ruhig am Auto. Jetzt die Geschirre an. Es schneit immer noch- also keine Booties. Außer Elroy. Hat noch leichte Verletzungen aus dem Training. Vorbei mit der Ruhe. Endlich ist Alles normal. Noch 8 Minuten. Das Team ist eingespannt. Hestia-Funky-Fatso-Iceman-Herkules-Ragnar-Elroy-Hägar. Wir wollen los. Iceman ist wie von Sinnen und schäumt vor Übermut. Fatso wird mit einem Regen von Speichel bedeckt. Jede Minute startet ein Team. Der Starter kommt zu mir und dann geht es endlich los. Mit beiden Füßen auf der Matte schießen wir auf den Trail. Ruhig Jungs- wir müssen noch weit. Unter der Bahnbrücke stoße ich mir fast den Kopf. Jetzt ist die Stadt hinter uns. Der Schnee ist knöcheltief und sulzig.
Eine richtige Pampe. Das erste Überholmanöver mit einem Grönländerteam klappt ohne Schwierigkeiten. Der Trail wird fest. Das Team schnurrt. Pedale leicht mit. Es geht teilweise
sehr steil hoch und wieder runter. Kein Team hinter mir zu sehen. Der erste See. 2 Teams sind vor mir in Sichtweite. Der Trail sieht stellenweise nicht gut aus. Leicht überfrorener brauner Schneematsch. Funky und Hestia wechseln von selbst auf die Skooterspur, die parallel zum Trail verläuft. Supi. Kein Schneefall mehr. Dafür starker Seitenwind. Der gewachste Schlitten
wird vom Wind aus der Spur gedrückt. Gehe in die Knie, um eine kleinere Angriffsfläche zu bieten. Meine Knie finden diese Aktion nicht toll. Nach ein paar Metern muß ich wieder aufstehen. Dann geht es kurz runter vom See. War nur eine kleine Insel. Wieder teilweise nur Schneematsch. Neben dem Trail sieht man wie das Wasser in den Fußabdrücken steht. Von hinten kommt ein Team heran und überholt uns. Der Musher trägt einen weißen Cowboyhut. Sieht cool aus. Das Team ist schnell, aber wir hängen uns an und überholen die 2 Teams vor mir. Dann läuft es wieder im gleichmäßigen Trab. Wieder ein See geschafft. Leichte
Rechtskurve und wir fahren auf offenes Wasser zu. Die Strömung ist stark und das Wasser schäumt. Mein Herz rutscht in Kniehöhe. Wieder rechts und es geht parallel weiter. Puh.
Wieder auf einen See. Alles zu- meine Atmung beruhigt sich wieder. Hier kein durchweichter
Trail. Die starken Windböen aus wechselnden Richtungen nerven. Verlassen diesen See und es geht im Zickzack durch ein Wäldchen aus Birken und Fichten. Die Spur ist gerade so breit wie mein Schlitten. Baumstümpfe tauchen direkt neben meinen Kufen aus dem Schnee. Gelbes Schild mir rotem X und schon sind wir über die Strasse. Aus den Augenwinkeln habe ich wahrgenommen dass dort ein paar Autos und Leute standen. Aber der Trail ist so eng, keine Zeit für andere Gedanken als den Hunden zu folgen und auf den Kufen zu bleiben. Wieder auf ein Gewässer. Elroy lässt sich fallen. Auf die Bremse-Halt. Allgemeines Schneefressen angesagt. Ich trete den Schneeanker ins das Eis des Sees und bin sehr erstaunt- er hält. Snacks aus dem Sack und das ganze Team steht völlig verheddert am Brushbow. Hey- da sind meine Finger dran. Packe die Leader und zerre sie nach vorn. Alles entwirrt sich von selbst und ich kann gerade noch auf die Kufen hechten. Der Anker fliegt wild durch die Gegend. Fange ihn ein und verstaue die leere Snacktüte im Sack. Gerade kein Wind, also schnell eine Zigarette an.
Ahhhh-ist das gut. Wir verlassen den See und es geht wieder durch eine heideähnliche Landschaft. Hoch-runter-rechts-links. Versuche der Hunde auch hier Schnee zu fressen werden mit einem Abtauchen im Tiefschnee belohnt. Am Besten finden sie es wenn die Spur so tief ist, das sie ohne Anstrengung im vorbeilaufen den Schnee aufnehmen können. Obwohl mir bei den Löchern gar nicht wohl ist. Es läuft spitze. Jetzt macht sich das Training
bezahlt. Gleichmäßig traben die Hunde über die Strecke. Ein Schild taucht auf. F300 nach links,
F500 nach rechts. Noch ca. 10 Kilometer. Plötzlich eine Brücke über einen Fluß. Iceman hat im Training schlechte Erfahrung damit gemacht. Mitten in der Brücke fehlte nämlich ein Brett und er ist gestürzt. Hier lässt er sich fallen um nicht über die Brücke zu müssen. Doch der Schnee ist fest und die Brücke ist intakt. So ziehen die Anderen ihn einfach weiter und er springt ganz verdutzt wieder auf. Weiter geht’s. 2 Teams fahren ganz dicht vor uns her. Ich muß immer wieder bremsen, da der Trail zu eng ist zum Überholen, trotz der Anstiege. Vor schwerer Arbeit haben die Mädels und Jungs keine Angst. Und so kleben meine Leader am Knie des vorausfahrenden Mushers. Ein letzter Berg und halt. Wir haben es geschafft. Der Streckenposten am Eingang von Langen gibt meine Nummer und meine Zeit per Funk durch
Und ich erhalte nach wenigen Sekunden meinen Zettel mit der Zeit, wann ich Langen wieder verlassen darf. Shit- es bedeutet 4 geschlagene Stunden Aufenthalt. Ich dirigiere mein Team auf den zugewiesenen Rastplatz und bin erstaunt. Wir sind an 4. Stelle. Elke ist schon da und hoch erfreut. Auch hier erweist sich das Training als gelungen. Ich hole die Blankets raus, ziehe die Hunde an und sofort macht sich Gelassenheit breit. Nach dem snacken liegen oder sitzen
Alle und ruhen sich aus. Elke erzählt das Sie mit dem Wagen im Schnee im Straßengraben stecken geblieben ist. Jemand wollte sich die Teams auf einem See von der Strasse aus ansehen und hat mitten auf dem schmalen, kaum geräumten Zufahrtsweg angehalten. Um einen
Zusammenstoß zu vermeiden musste Sie so weit nach rechts ausweichen das unsere 4t schwere „grüne Minna“ in den Tiefschnee geriet und sich festgefahren hat. Die Zuschauerin sprang darauf schnell in ihren Wagen und verschwand ohne einen weiteren Blick. Nach einer Stunde warten kam Hilfe. Es mussten aber 3 Autos hintereinander gebunden werden um unseren Wagen aus der misslichen Lage zu befreien. Jetzt frage ich mich was wohl einfacher ist. Das Rennen zu fahren oder den Doghandler zu machen. Dieser völlig unterschätzte Job
ist nicht gerade einfach, wohl aber sehr wichtig. Wer soll sonst den ganzen Frust abbekommen wenn etwas nicht so läuft wie es der Musher sich wünscht? Wer kann mit Rat zur Seite stehen, wenn das zweibeinige Teammitglied etwas übersieht oder vergisst? Wer soll sich um die Teammitglieder kümmern wenn sie das Team verlassen müssen?

Langen-Tufsingdalen 42 km(87km)

Dann ist die Zeit plötzlich um. Schnell die Booties übergestreift, denn wir müssen los. Diesmal ist es das totale Chaos. Im letzten Jahr kam ein Offizieller um Bescheid zu sagen dass in wenigen Minuten gestartet werden muß. Diesmal jedoch kommt niemand. Da der Start aber auf einer Anhöhe liegt, die ca. 1000m entfernt ist, fahren plötzlich einige Teams in den Vorstartbereich. Eine Reihenfolge ist nicht zu erkennen. Meine Startzeit verstreicht und ich stehe immer noch am Ende einer Schlange, die nicht zu übersehen ist. Irgendwie überholt mein völlig aufgebrachtes Team auf der linken Seite diese Schlange von wartenden Teams, die nicht weniger Aufgeregt sind wie mein Eigenes. Als ich dann an der eigentlichen Startlinie halten muß ist meine Abfahrtzeit schon lange vorbei und ich „darf“ gleich durchfahren. In der Dunkelheit reiht sich nun Team an Team. Die Schnauzen der Leader immer in den Kniekehlen der Musher. Der Trail ist auch hier zu schmal um zu überholen und so fahren wir wie an einer Kette aufgereiht durch den nächtlichen Wald. Nach einer kurzen Zeitspanne und unzähligen Bremsmanövern und Anhalten erreichen wir den Femundsee. Der Schnee auf den Eis ist weich und tief. Auch hier ist überholen unmöglich, da es neben dem Trail ein matschiges, wässriges Etwas gibt, was den Namen Schnee nicht verdient und ich meine Hunde da nicht durchtreiben will. Das Feld hat sich aber trotzdem etwas auseinander gezogen. Da ist sie nun. Die verhasste endlose Strecke über den See. Gut das es dunkel ist und man die Länge der Etappe nicht sehen kann. Ca. 30-33 km über diese gerade langweilige öde Bahn. Auf der rechten Seite kann man schwach das Ufer erkennen. Auf der linken Seite ist einfach nur dunkel. Und vorraus- nun diesmal kann man die Stirnlampen der Vordermänner erkennen. Beim letzten mal war ich völlig Allein hier und die Strecke kam mir noch endloser vor. Nach genau 1, 5 Stunden will mein „Barometer“ Elroy seine Pause. Das gefällt mit hier auf der völlig offenen Ebene gar nicht. Der Schneeanker hält erst nach unzähligen Versuchen. Ich packe in Windeseile die Snacks aus und renne nach vorn. Alle gucken mich ungläubig an, nehmen aber die Fleischportionen gierig wie immer. Zurück auf die Kufen und mit beiden Füßen auf die Bremse. Das nächste Team kommt. Aber meine Bande steht ganz ruhig und lässt die Anderen vorbeiziehen. Und die Nächsten, und die Nächsten und die Nächsten. Teilweise wird laut geflucht, da die Teams in die matschige, nasse, kalte Sulze ausweichen müssen. Gott sei Dank ist mein norwegisch schlecht. Ich möchte gar nicht wissen was da gerufen wird. Aber dann ist mein Team wieder bereit und es geht weiter. Im schnellen Trab hängen wir uns an das letzte Team. Wir sind jetzt ausgeruht und deutlich schneller. Aber meine Bitte um Platz zu machen wird völlig ignoriert. Ich versuche es auf englisch, auf deutsch und irgendwann fluche ich lauthals. Es wird kein Platz gemacht und so muß ich auf die Matte steigen. Da kommt ein Team von hinten. Ein norwegisches. Es zieht an mir vorbei und wir hängen uns an. Die vorderen Teams machen bereitwillig Platz und scheren nach rechts aus. Als wir überholen wollen drängt das Team aber wieder auf den Trail. Ich schimpfe wie ein Rohrspatz. Wir kommen dann doch an diesem Team vorbei, nur um hinter dem Nächsten zu hängen. Hier werden wir auch nicht zur Kenntnis genommen und müssen uns in Geduld üben. Nach scheinbar endloser Zeit kommt das Ende. Nun geht es vom See über einen Bauernhof direkt auf eine Strasse. Der Schnee ist fest und die Strasse breit. Endlich können wir überholen. Da es bergan geht pedale ich wie ein Sprinter, nur um endlich diese Teams loszuwerden. Immer weiter bergauf und dann steht das Team plötzlich. Ich fahre fast in die Wheeler. Iceman liegt im Tiefschnee an der Seite und schaut mich an. Der Schreck fährt mir in die Knochen. Habe ich zuviel verlangt? Schneefressend sieht er mich an. Schnell den Anker in den Graben geworfen und ich gehe zu ihm hin. Was ist? Muß er jetzt pinkeln? Er hasst es, es im Laufen tun. Aber er liegt nur da und sieht mich an. Alle Versuche ihn zum Aufstehen zu überreden schlagen fehl. Inzwischen überholen die Anderen wieder. Selbst das motiviert Iceman kein Stück. Ich löse bei allen Anderen die hintere Leine und warte ab. Die Übrigen schieben sich durch den Schnee, wälzen sich und grunzen ein bisschen dabei. Nur er liegt da wie angenagelt. Ich schaue nicht auf die Uhr, aber ich weiß, es ist nicht mehr weit zum nächsten Checkpoint. Also spanne ich wieder an und Iceman muß auf den Schlitten. Das klappt auch wunderbar. Obwohl wir das noch nie geübt hatten, liegt er ruhig und entspannt auf dem Sack. Mit einer Hand muß ich jetzt den Schneeanker festhalten, mit der Anderen ihn. Kurz darauf ist die Strasse zu Ende. Jetzt wird es ganz schön weich und auch die tiefen Löcher sind wieder da. Ich stehe gebeugt auf den Kufen und tue was ich kann, um den Schlitten nicht umzukippen. Das Gewicht von 25 Kilo Hund macht sich sehr negativ bemerkbar. Aber das Team läuft weiter. Vor uns fährt eine Frau mit ihren Hunden. Auch sie hat einen Hund im Sack. Sie hält immer wieder an und fragt ob wir vorbei wollen. Ich verneine und es geht langsam weiter. An einer Stelle fährt sie in den Tiefschnee und ich sehe im Schein meiner Stirnlampe dass ihr Leader sich geschmissen hat. Wir fahren langsam vorbei und da wird Iceman unruhig und versucht vom Schlitten zu springen. Nach kurzem „Kampf“ behalte ich die Oberhand und er bleibt liegen. Der schmale Weg endet abrupt und wir müssen nach links auf eine Strasse einbiegen. Von rechts kommt ein Auto angefahren und schleicht vor dem Team über die Strasse. Wir dicht dahinter. Die Abgase stinken fürchterlich. Die Hunde niesen wie verrückt. Auch mir kitzelt es in der Nase.
Zum Glück biegt der Wagen links ab und wir müssen geradeaus. Da tauchen die Lichter der Streckenposten auf und signalisieren dass wir die Hauptstrasse überqueren können. Ein leichter Schwenk nach links und der Checkpoint ist in Sicht. Nach kurzem Einchecken fahren wir auf unseren zugewiesenen Platz. Geschafft. Fast 90 Kilometer liegen hinter uns. Jetzt „nur noch“200 und ein Bisschen! Die gleiche Prozedur wie beim ersten mal. Blankets raus und anziehen. Alles liegt schon. Snacks verteilen. Und jetzt kommt ein neuer Genuß für das Team. Hier gibt es Stroh. Ich hole einen Ballen, schneide ihn auf und verteile ihn vor den Hunden. Mmmmhhhh- das finden sie prima. Jetzt noch schnell Wasser holen und das Team ist erst mal versorgt. Leichter Schneefall und leichter Wind. Ich plane eine längere Pause hier, denn danach kommt- der Berg! Auch hier ist meine Handlerin Elke schon da. Wir entscheiden gemeinsam Iceman hier aus dem Team zu nehmen um ihn zu schonen. Die nächste Strecke mit über 70 km wollen wir ihm nicht zumuten. Bis hierher hat er seht gute Dienste geleistet und seine Zeit wird noch kommen. Er ist schließlich das jüngste Mitglied im Team mit seinen 2 Jahren. Er sieht das wohl auch so, denn Frauchen wird überschwänglich und mit vielen Küsschen begrüßt, während er den Weg in seine Box antritt. Für die Anderen koche ich eine hoffentlich leckere Suppe aus Fisch und Fleisch. Nach 3 Stunden und einer Tasse Kaffee für mich geht es weiter. Ans Schlafen denke ich noch nicht. Aber das kommt sicherlich noch.

Tufsingdalen-Femundtunet 72 km(159 km)

Die Suppe war anscheinend sehr lecker. Ausgeruht geht es um 0. 00Uhr weiter. Das Team ist ohne zu zögern aufgestanden um den gemütlichen Checkpoint zu verlassen. Auf einem engen Pfad in Schlittenbreite geht es berauf. Langsam und stetig. Kurz hinter dem Wald, auf einer kleinen Lichtung kommt mir ein Team entgegen. Sie wollen zurück. Oh weia- schießt es mir durch den Kopf. Wie ist das Wetter da oben? Immerhin sind es fast 1100 m Höhe die wir überwinden müssen. Wie weit war er mir seinem Team? Oder sind seine Hunde nur müde, weil seine Pause zu kurz war? Das head -on –passing- Manöver ist schnell und locker vorbei. Auf mein Fragen hin bekam ich eine Antwort, die ich leider nicht verstand. Okay- wir versuchen es. Umkehren können wir ja immer noch. Was erwartet uns? Tiefschnee? Nebel? Sturm? Oder sogar Regen? Bei diesen Temperaturen von 0 Grad ist Alles möglich. Das Team arbeitet super. Der Trail birgt keine unliebsamen Überraschungen bis jetzt. Der sanfte Anstieg wird nur von einigen Passagen unterbrochen an denen ich von den Kufen muß um zu schieben. Bis jetzt hält das Wetter. Wir verlassen die Baumgrenze und nähern uns dem höchsten Punkt. Schade dass es völlig dunkel ist. Kein Mond erhellt die Dunkelheit. Im letzten Jahr war Vollmond und es sah phantastisch aus zwischen den beiden Gipfeln hindurch zu fahren. Um so mehr als meine Stirnlampe hier ausfiel. Der Wind ist jetzt stärker und stellenweise ist der Trail völlig zugeweht. Aber die Markierungsstangen sind gut sichtbar. Noch ragen sie ca. 1 Meter aus dem Schnee. Die angebrachten Reflektoren leuchten im Schein meiner Lampe. Weit und breit kein anderes Team in Sichtweite. Nach dem „Gedrängel“ auf dem See, wie auf einer Autobahn in Deutschland, genieße ich die Einsamkeit. Es geht schon wieder bergab. Und hier hält der Trail einige unliebsame Überraschungen parat. Tiefe Löcher, so lang und tief das mein ganzer Schlitten hinein passt.
Die Hunde laufen teilweise in Kopfhöhe vor mir. Dann wieder kurze gemeine Löcher, in denen ich Angst habe das der Schlitten zerbricht. Wie bei einer stürmischen See verschwindet mein Brushbow immer wieder in diesen Tälern, der Schlitten reißt hart an den Wheeldogs. Ich kann nur noch hinterher laufen. An Stehen auf den Kufen ist nicht zu denken. Da ist es auch schon passiert. Funky ist in einem solchen Loch gestürzt. Sie springt zwar wieder auf, aber ich kann sehen das Sie jetzt humpelt. Jetzt sind die Löcher auf einmal tiefe Rinnen auf der linken Seite des Weges. Ständig droht der Schlitten umzukippen und die Hunde direkt davor umzureißen. Ich kämpfe wie ein Löwe das es nicht dazu kommt. Der Schweiß läuft mir den Rücken runter und lässt mich frösteln. Die Hände in den Handschuhen sind klitschnass. Endlich geschafft. Der Trail wird auf einmal zur Strasse. Funky lässt sich jetzt fallen. Elroy gleich mit. Okay. Pause. Die Hunde hecheln stark. Hätte ich doch bloß Wasser mit. Nach dem Ausspannen wälzt sich Alles im Schnee. Ich stecke mir erst mal eine Zigarette an. Barhändig streichle ich meine ganze Bande. Jetzt verteile ich den Fisch. Lachs.
Der enthält viel Wasser und schmeckt den Hunden prima. Ich muß auf meine Finger aufpassen, so gierig sind sie danach. Ich taste Funky ab und bewege ihre Beine und Schultern. Sie zeigt keinerlei Anzeichen für eine Verletzung, will aber nicht mehr laufen.
Also verstaue ich meine Ausrüstung im Schlittensack neu und setze sie in den Sack. Nun ist sie halb im Sack und halb draußen. Lässt ihre Beine aber schön auf dem Sack. Nichts hängt über und nachdem ich eine Position am Handbow für den Anker gefunden habe, ohne ihn die ganze Zeit in der Hand halten zu müssen, geht es weiter. Der Trail wechselt nun ständig zwischen dichten Waldpassagen und weiten Ebenen und kleinen Seen. Mal leicht berauf, mal kurz bergab. Die 6 vor dem Schlitten schnurren nur so dahin. Die Zeit verrinnt. Plötzlich wird es sehr neblig. Ich kann kaum noch Hestia sehen, die ja nun allein vorn läuft. Dazu kommt noch ein mittlerer Schneefall, der die Stirnlampe praktisch nutzlos macht. Immer wieder peitschen mir Äste ins Gesicht. Irgendetwas bremst den Schlitten. Ich bin über das Seil vom Schneeanker gefahren und das hängt nun quer unter der linken Kufe und wirkt wie eine Bremse. Also anhalten und mit einem scharfen Ruck reiße ich das Seil unter der Kufe hervor. Weiter geht’s. Der Nebel lichtet sich und auch der Schneefall hört auf. Mitten auf einem See verlangt mein Barometer nach der nächsten Pause. Da der Wind wieder zugenommen hat will ich hier nicht anhalten, so völlig ungeschützt. Mit gut zureden und einiger Mühe schiebe und stoße ich den Schlitten weiter. Als wir den See verlassen leuchten in der Dunkelheit vor mir viele Augen auf. Ein rastendes Team. Wir halten ebenfalls. Die Hunde lassen sich links und rechts in den Schnee fallen. Okay- Blankets raus und ich muß meine Vierbeiner schon im Liegen anziehen.
Ragnar schläft sofort ein. Also gut, noch keine Snacks. Erst mal schlafen. Herkules und Fatso äugen misstrauisch zu dem Team vor uns. Aber außer dem Musher, mit dem ich mich kurz , in gebrochenem englisch, unterhalte, herrscht dort vorn absolute Ruhe. Funky habe ich mit einer Neckleine vorn am Schlitten festgemacht. Als ich mich auf den Schlitten lege, legen sich auch die Übrigen meines Teams hin und schlafen. Das Team vor mir will eine Stunde rasten. Also gut denke ich, machen wir dann auch. Ich lösche meine Stirnlampe und wir genießen die völlige Stille und Dunkelheit. Ich schaue in den Himmel und kann doch durch die Wolkendecke ein paar Sterne erkennen. Es ist jetzt 04. 00 Uhr Morgens. Wie schön es hier doch ist. Und eigentlich auch recht gemütlich. Ich schrecke hoch. Bin eingeschlafen! Ein gehetzter Blick auf die Uhr. 04. 30 Uhr. Nichts regt sich. Ich entspanne mich wieder und lege mich wieder zurück. Warum eigentlich nicht? Wenn das Team vor mir losgeht werde ich es schon hören.
Ich schließe wieder meine Augen. Ich schrecke erneut hoch. Ein Geräusch das hier unmöglich sein kann, ein Wecker. Träume ich Alles nur? Herkules ist hell wach und knurrt ganz tief. Funky bellt kurz und abgehackt. Die Übrigen rühren sich jetzt auch. Der Musher vor mir hat sich von seinem Handy wecken lassen! Ich blicke auf meine Uhr. 05. 05Uhr. Rolle mich vom
Schlitten herunter. Mein Rücken schmerzt. So bequem war es wohl doch nicht. Kocher raus und mit einem halben Liter Spiritus schmelze ich Schnee. Man braucht ziemlich viel Schnee um ca. 5 Liter Wasser zu erhalten. So, das war witzlos. Meine Hunde ziehen es vor den Schnee pur zu fressen, als meinen Geschmolzenen zu trinken. Na gut. Jeder einen Fleischsnack und ein Stück Butter. Die Snacks werden jetzt schon nicht mehr so einfach akzeptiert. Hast Du nix Anderes, scheinen ihre Augen zu sagen. Aber die Butter fressen Alle außer Ragnar. Den Fisch will ich für später aufheben. Funky will auch nach der Rast nicht laufen, also wieder in den Sack. Das Team vor mir beschließt noch länger zu verweilen. Für meine aber gibt es kein halten mehr. Wir rasen an den Anderen so dicht vorbei, dass ich fast den Leithund überfahre. Sonnenaufgang ist ca. um 08. 30 Uhr. Wir ziehen weiter in die Dunkelheit.
Die Erste von drei Strassenüberquerungen klappt ohne Probleme. Als wir auf der anderen Seite sind kommt ein Auto mit min. 80km/h angebraust. Verrückte Norweger! Spikes sind auch nicht Alles. Da geht ein Ruck durch das Team. Gas. Gas. Gas. Ich sehe auch den Grund kurz darauf. Rentierspuren. Ganz frisch. Es muß eine größere Gruppe gewesen sein. Der Schnee ist völlig zerwühlt auf einer sehr großen Fläche. Hoffentlich nicht auch der Trail. Im Schwedentraining trafen wir auf eine Herde, die den Trail fast unpassierbar gemacht hatte.
Solche Löcher, hier im Dunkeln, können das Ende bedeuten. Die Verletzungsgefahr ist riesig, da Rentiere Löcher graben, die bis auf die Grasnarbe gehen. Tritt ein Hund in so ein Loch kann er sich die Beine brechen. Schnell auf die Matte. Ruhig. Aber der Weg ist heil. Im schnellen Trab geht es weiter. Funky genießt die Aussicht. Es ist etwas kälter geworden. Die zerfahrenen Schneematschpfützen auf den kleinen Seen sind überfroren. Da die Gefahr für Schnittverletzungen groß ist, boote ich alle Pfoten. Da ich nicht der Profi bin was das anziehen von Hundeschuhen betrifft und ich doch langsam etwas müde bin, dauert das eine ganze Weile. Doch das Team ist geduldig mit mir. Und weiter. Die Strecke ist abwechslungsreich.
Kleine Wäldchen, kleine Seen und weite Ebenen. Nur wir sind in Sichtweite. Und am Horizont ein schwacher Lichtschein. Wahrscheinlich der nächste Checkpoint. Sonst gibt es hier nichts. Weit und breit keine Menschenseele. Nach 2 Stunden machen wir die nächste Rast.
Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt kommt noch eine Strasse. Und dann geht es wieder heftig bergauf. Sehr heftig. Also wieder die Pausenzeremonie. Booties aus und diesmal schlafe ich fast 2 Stunden auf dem Schlitten. Ein nachfolgendes Team hat aufgeschlossen und weckt mich beim Vorbeifahren. Jetzt gebe ich den Fisch und dann geht es los. Funky ist immer noch nicht bereit zu laufen. Über die Strasse und dann etwas parallel dazu. Dann geht es los. Fast senkrecht geht die Spur vor mir weiter. Ein kurzes Stück, dann etwas weniger, aber nur um dann wieder so steil zu werden. Die Hunde ackern wie verrückt und ich schiebe und stoße und schubse den Schlitten so gut ich kann. Jetzt verfluche ich meine Bunny-Boots. 1, 8 Kilo pro Stück. Jeder Schritt wird zur qual. Meine Füße fühlen sich an wie rohes Fleisch. Egal, weiter.
Von oben kommt ein Skooter. Er fährt an die Seite und feuert mich an. “Yeah, go man, go. You make it good. On the Top you meet another guy. Sixteen kilometers to Femund“ Ich stehe einer Dampflok in Nichts nach. Der Schweiß läuft. Die Beine fühlen sich an, als würden sie platzen. Die Hunde rutschen immer wieder weg. Nimmt denn das kein Ende? Endlich oben. Shit, Hägar humpelt. Funky thront im Schlitten und leckt mir den Schweiß vom Gesicht. Das Team oben pausiert nach dem Aufstieg. Noch ca. 1 Stunde. Deswegen, weiter.
Jetzt geht es leicht bergab. Da kommt mir ein Team entgegen. Der hat seine 8 Stunden Pause schon hinter sich und ist auf dem Rückweg. Na Klasse. Nach und nach kommt ein Team nach dem Anderen. Die Motivation bei meinem Team ist auf der Kippe. Hestia will nach jedem Team umdrehen. Wir sind hier bestimmt falsch will sie sagen. Jetzt spanne ich Fatso mit nach vorn damit es weiter geht. Die head-on -passings klappen gut bis auf einmal. Da wollen die anderen Leader mitten durch mein Team. Der Musher flucht und wirft seine Hunde wutentbrannt auf seine Seite. Sonst sind Alle sehr freundlich und bedauern sogar Funky die im Schlittensack sitzt und alles genau beäugt.
Endlich ist der letzte See erreicht. Da ist Femundtunet. Die halbe Strecke ist geschafft und jetzt warten 8 Stunden Pause auf uns. Elke ist überglücklich uns zu sehen. Ich aber bezweifle das ich weiter fahren werde und bringe dies auch lautstark zum Ausdruck. Elke und ein Bekannter, der diesmal auch den Handler macht, reden erst mal beruhigend auf mich ein und sagen ich solle die Rast erst einmal abwarten. Ich hole also erst einmal den Depotsack und versorge die Hunde, die es sich schon im Stroh bequem gemacht haben, unter Elkes fachmännischer Anleitung. Sie darf die Hunde ja nicht berühren, sonst werde ich disqualifiziert. Außer beobachten und beraten darf sie mir nicht helfen. Leider bin ich zu grantig um das genügend zu würdigen. Ich sagte ja schon, Doghandler ist nicht gerade der leichtere Job bei so einem Rennen. Nachdem das Team schön schläft gibt es für mich erst mal einen Kaffee und einen großen Teller Nudelauflauf im Checkpointrestaurant. Wir sprechen uns ab und während Elke die Hunde im Auge behält, versuche ich im Auto ein bisschen zu schlafen. Doch ich bin so aufgekratzt das ich kein Auge zumachen kann. So gehe ich also nach einer halben Stunde wieder zu meinem Team. Alles schläft völlig ruhig. Jetzt bleibt erst mal nichts weiter zu tun, als den Hunden ihre wohlverdiente Ruhe zu gönnen. Meine Stimmung ist wieder etwas besser. Zwei Stunden vor dem Start beginne ich mich mit den wiedererwachten Hunden näher zu beschäftigen. Mit jedem einzeln eine Runde gehen. Hägar humpelt ziemlich stark. Nach ca. 15 min. tritt keine Besserung ein und der Raceveterinär spricht mich an und will ihn untersuchen. Beim bewegen der linken Schulter schreit Hägar auf. Das war es also für ihn.
Nix schlimmes momentan, aber der Tierarzt sagt er kann ihn so nicht wieder starten lassen um Spätfolgen zu vermeiden. Meine Stimmung sinkt ins Bodenlose. Neben Herkules muß mein bester Arbeiter das Team verlassen. Tja, was nun? Alle Anderen bewegen sich einwandfrei. Und so beschließe ich es doch zu wagen mit 6 Hunden den Rückweg anzutreten. Wässern und füttern und ganz schnell ist auf einmal die Rast zu Ende. Nach genau 8 Stunden machen wir uns wieder auf den Weg.

Femundtunet-Tufsingdalen 72 km(231 km)

Ohne zu zögern und mit der üblichen Begeisterung setzt sich das Team in Bewegung. Es ist schon wieder fast dunkel. Nach ca. 1 Stunde erreichen wir die jetzt starke Gefällstrecke. Ruhig und gleichmäßig geht es bergab. Die teilweise senkrechten Abfahrten treiben mir den Schweiß auf die Stirn. Ich stehe mit beiden Füßen auf der Matte und versuche zu verhindern dass der Schlitten in mein Team fällt. Als sich das als fast wirkungslos erweist stelle ich mich mit einem Bein auf die Bremse. Wie kommt hier bloß ein großes Team heile runter? Aber wir meistern diese Passage ohne Sturz und ohne verletzten Hund. Endlich wird der Trailverlauf wieder sanfter. Die Strasse ist frei und wir passieren. Nach 1, 5 Stunden verlangt Elroy seine Pause. Der Rest des Teams sieht es aber nicht ein zu halten und es dauert eine ganze Weile sie zu stoppen. Dann nehme ich Elroy in Windeseile auf den Schlitten. Das artet in einem harten Kampf aus, da er es gar nicht einsieht, dass ich es gut mit ihm meine. Nachdem sein Widerstand
endlich nachlässt geht es flott voran. Aber sein leises protestieren irritiert den Rest der Bande, sodass ich nach einer weiteren Stunde doch eine Rast einlege. Mein Plan sieht vor auf dieser Strecke 2mal zu rasten. So pie mal Daumen müssten wir jetzt knapp die Hälfte bis zum Berg hinter uns haben. Der nächste Stopp soll dann unterhalb des Berges erfolgen, damit wir ein bisschen ausgeruht den Aufstieg wagen können. Bis dahin stellt Abschnitt eigentlich keine größeren Ansprüche an uns Alle. Wenn das Wetter hält. Jeder fragte mich vor dem Rennen nach meinem Plan dieses Rennen zu laufen. Ich kann nur sagen, was nützt das Pläne machen wenn man sowieso nicht weiß was passiert und man Alles ein paar mal umschmeißen muß.
Außer zu reagieren bleibt einem nichts übrig. Und einen strengen Plan einhalten zu wollen kompliziert das Ganze nur. Das ganze Team ruht sich aus und auch ich nicke ein bisschen ein.
Da kommt ein 500er Team auf dem Rückweg vorbei und weckt uns auf. Während ich alles wieder startklar mache, überholt uns ein Weiteres. Elroy kommt wieder ins Team und ab geht die Post. Es ist merklich kälter geworden und in einem schnellen Trab geht es durch die Nacht. Irgendwann bemerke ich ein nachfolgendes Team. Die Stirnlampe leuchtet in der Dunkelheit hinter mir. Die Entfernung verringert sich aber nicht. Ich vermute ein weiteres 300er Team. Auf einer Ebene taucht plötzlich ein Graben vor uns auf. Ehe ich recht reagieren kann setzen die Leader zum Sprung an. Mein Schlitten verschwindet in einem tiefen Graben unterhalb des Trails in offenem Wasser. Außer den Wheelern und mir sind Alle trocken geblieben. Das Wasser ist meine Stiefel gelaufen und meine Füße fühlen sich wie Eisklumpen an. Die Spalte ist ca. 2, 5 m breit und etwa 2m tief. Ein Bachlauf. Genau im Trail ist er jetzt offen. Ich halte und rufe eine Warnung zu dem nachfolgenden Team. Die Leader stoppen und suchen auf der linken Seite nach einem Weg. Dabei erkenne ich dass es sich um ein 500er Team handelt mit mehr als 10 Hunden. Beim Pfotencheck überholt mich das Team und ich erkenne Carsten Grönas der sich bei mir bedankt. Er war es der ca. 1, 5 Stunden hinter mir gefahren ist. Kurz nach dem Überholen lenkt er sein Team in eine „Parkbucht“ in der schon andere Teams gehalten haben, um zu pausieren. Wir fahren weiter über einen See, da der Berg nicht mehr weit entfernt ist. Auf dem Zufahrtsweg zum Aufstieg ist es windgeschützt und auch wir benutzen eine der „Parkbuchten“ neben dem Trail. Während ich die Snacks verteile kommen mehr und mehr 500er Teams und Alle pausieren hier in kleinen Abständen von einander. Meine Bande hat jetzt von den Fleischsnacks die Schnauze voll. Außer ein bisschen Fisch nehmen sie Nichts mehr. Auch die Butter wird von Allen außer Herkules verschmäht. Dieser Hund ist einfach unglaublich. Locker steht er da und lacht mich an. Der Wind frischt auf und es hat begonnen zu schneien. Also machen wir uns auf den Weg nach einer Pause von nur 20 min. Wer weiß wie schlimm es auf dem Gipfel ist. Besser jetzt los. Vielleicht ist ja doch eines von den großen Teams beim Aufstieg und wir können uns anhängen. Tja, falsch gehofft. Wir kämpfen uns durch die Löcher und teilweise Verwehungen
in Richtung Gipfel. Kein Team vor uns. Der Wind wird immer stärker und die Verwehungen reichen mir bis zu den Hüften. Vom Trail ist teilweise nichts mehr zu sehen. Die Hunde kämpfen sich vorwärts um jeden Schritt. Um es dem Team zu erleichtern, stapfe ich hinterher,
manchmal ohne Verbindung zum Schlitten. Nur weiter, nur nicht anhalten. Je höher wir uns wühlen, desto schlimmer wird der Wind. Und es schneit wie verrückt. Hätte ich noch länger mit dem Aufstieg gewartet hätte ich wieder umkehren müssen. Oben angekommen verweigern die völlig ausgepowerten Hestia und Funky die weitere Arbeit. Aber hier können wir nicht rasten. Ich versuche also wieder Fatso. Aber auch er ist völlig gestresst. Mein Versuch mit Herkules endet mit seiner Nase an Hestias Hinterteil. Sie wird also läufig. Inzwischen überholt mich Carstens Team. Er hatte sich an mich angehängt. Aber sein Team hat so viel Schneeerfahrung, dass es nichts ausmacht das es stürmt und schneit. Meine Hunde hängen sich nicht an. Nach schier endlosen Minuten ist Fatso dann doch bereit zu führen. Mit viel gut zureden geht es langsam weiter. Wir verlieren den Trail und verschwinden im Tiefschnee. Der reicht mir schon bis zum Bauch. Ich robbe nach vorn und zerre die Hunde auf den Trail zurück. Zumindest so dicht an die Markierungen, das er eigentlich hier sein müsste. Wir quälen uns weiter. Endlich geht es bergab. Hier ist der Wind nicht mehr so stark und der Trail wieder erkennbar. Die Hunde sind geschlaucht und ich genau so. Langsam geht es hinunter nach Tufsingdalen. 2 Stunden nach dem Aufstieg und hartem Kampf erreichen wir den Checkpoint.
Hier gibt es wieder Stroh und Futter. Hestia und Funky verweigern die Nahrungsaufnahme.
Die Rüden fressen und legen sich schlafen. Ich schaue nach Elke und finde unseren Wagen auf dem Parkplatz. Elke schläft. Da ich viel weniger Zeit gebraucht habe als angenommen weiß ich nicht wann Sie eingetroffen ist. Und da ich vorhabe länger zu rasten, lasse ich Elke schlafen und gehe in die Imbisstube. Hier esse ich den besten Hamburger der Welt und trinke 2 Flaschen Cola. Dann schaue ich wieder nach meinem Team. Sie schlafen tief und fest in ihren Strohburgen. Der kalte Wind hat ihre Blankets mit einer Eiskruste überzogen. Beim massieren von Schultern und Beinen mit Arnikasalbe spüre ich das die Hunde aber schön warm sind. Zurück in die gemütliche Gaststube. Bei einem Gespräch mit Carsten taucht plötzlich eine verschlafene, erstaunte Doghandlerin namens Elke hinter mir auf. Da Carsten hier eine 4 stündige Zwangspause abwarten muß, bietet er mir an das wir gemeinsam die letzte Etappe in Angriff nehmen. Doch meine Hunde sind noch nicht so weit. Aber immerhin fressen jetzt auch die Mädels. Ich muß also leider das freundliche Angebot ablehnen. 1, 5 Stunden später will ich jetzt endlich weiter. Ich will nur noch dieses Rennen beenden. Damit diese Quälerei endlich aufhört. Und endlich schlafen. Ich weiß, wenn ich mich jetzt hinlege dann stehe ich erst mal nicht mehr auf. Will es aber auch diesmal zu Ende bringen.

Tufsingdalen-Röros 74km ( 305km)

Es gestaltet sich sehr schwierig die Hunde zum Aufstehen zu überreden. Wenn die Leader stehen legen sich die Wheeler wieder hin und umgekehrt. Mit sanfter Gewalt und meinen Überredungskünsten geht es dann doch endlich los. Wir müssen eine breite, schneebedeckte Strasse entlang zum Seeufer. Die Motivation ist nicht mehr sehr groß. Ein Team kommt von vorn, zurück zum Checkpoint. Nur langsam geht es voran. Auf dem See angekommen trifft uns ein eisiger Wind. Zum Glück müssen wir nach links und haben den Wind im Rücken. Er ist aber so kalt das es mir eisige Nadeln in die Beine treibt. Nach genau 90min. kommt das Aus. Hestia, Funky und Elroy wollen nicht weiter. Ein anderes Team rastet mit dem gleichen Problem zwischen den Trailmarkierungen. Ungeschützt im Wind. Wenn ich das jetzt auch so zulasse, steht keiner meiner Hunde mehr auf. Sie werden völlig steif vor Kälte. Also zerre ich das Team vom Eis in Richtung Ufer. Über hochgeschobenen Eisbruch neben einen kleinen Baum. Ich spanne Alle aus und binde sie an den Baum. Dann den Schlitten neben sie und umgekippt. Die Isomatte zerre ich aus dem Sack hervor und schiebe sie unter die Hunde, die sich sofort zusammenrollen. Also die Decken übergestreift, die Schneeschaufel raus und ich schippe eine Schneeburg um die Hunde vor dem Wind zu schützen. 1m hoch umgibt die Hunde die Schneemauer. Hestia ist völlig ausgekühlt. Ich ziehe meinen Parka aus und wickele sie damit ein. Da mir beim schaufeln schön warm geworden ist, friere ich jetzt umso mehr. Ich schaufele eine Schneewand für mich auf und kauere mich dahinter, um dem Wind zu entgehen. Ein 500er Team hält auf dem See an und fragt ob er mir helfen kann. Brauche ich noch Decken für meine Hunde fragt er nach meiner Erklärung. Ich bedanke mich und verneine und er fährt weiter. . Plötzlich ist es völlig Windstill. Die Sonne kommt hervor und es ist sogar so etwas wie gemütlich. Ich sitze also im Schnee, in der Sonne und trinke meine letzten Schlucke Tee. Die Kartoffelchips die ich, warum auch immer, eingepackt hatte schmecken herrlich. Auch ich kann meine Snacks, die Müsliriegel, nicht mehr leiden. Das Team schläft ruhig in der Vormittagssonne. Nach 2 Stunden kommt wieder Bewegung in die schlafende Meute. Leider hat der Wind wieder stark aufgefrischt. Wir müssen weiter, wenn wir dieses Rennen noch mal beenden wollen. Und das will ich. Aber anscheinend nur ich. Ich muß die Schneemauern regelrecht einreißen um die Hunde zum Aufstehen zu überreden. Keiner will mehr vorn laufen. Funky erhebt sich nicht mehr von ihrem Schlafplatz. Wieder auf den Schlitten. Nach zahllosen Versuchen ist der alte Elroy als einziger bereit das Team jetzt noch anzuführen. Langsam und mehr nebeneinander als hintereinander geht es über das Eis. Mit zahlreichen Unterbrechungen. Bei einer von Diesen treffen wir ein Team das mit den gleichen Schwierigkeiten kämpft. Der Musher erzählt mir dass er auch mal Reinrassige hatte und hier 2 Tage auf dem See pausieren musste, bevor es weiterging. Schöne Aussichten. Nein. Das will ich auf keinen Fall. Hätte ich ein Handy dabei würde ich mich jetzt abholen lassen und keinen Schritt mehr mir und meinem Team zumuten. Aber so etwas besitze ich nicht und so muß es halt weitergehen. Die Kilometer ziehen sich endlos dahin. Hört dieser See denn nie auf? Jetzt, im Licht des hellen Tages, ist es noch schlimmer als ihn in der Nacht zu überqueren. Endlich kommt der Rechtsschwenk und das Ufer ist nah. Elroy ist jetzt müde aber Fatso will nur noch runter vom See. Ich spanne wieder um und es geht endlich wieder vorwärts, zwar hoch und runter, aber endlich durch einen lichten Wald. Noch ca. 30 Kilometer. Als wir eine Brücke überqueren halte ich an. Der Fluss ist offen. Ich hole die 2 Näpfe aus dem Schlittensack und robbe durch den brusttiefen Schnee. Ahhhhh-das Wasser schmeckt herrlich. Mit beiden gefüllten Näpfen krieche ich zurück über den Schnee zu meinen Hunden. Auch ihnen schmeckt es prächtig. Langsam geht es weiter. Funky probiert alle Stellungen aus, die in dem Sack möglich sind, es sich bequem zu machen. Seit ungefähr 10 km laufe ich hinter meinem Schlitten her, als es mir plötzlich den Handbow aus der Hand reißt. Frische Rentierspuren. Die Müdigkeit ist wie weggeblasen. Zwar nur für ein paar Meter, aber immerhin. Der Trieb ist stärker als die Müdigkeit. Konnte mich gerade noch auf die Kufen werfen. Kurz darauf geht es wieder weiter im Schritttempo. Auf einem See treffen wir ein völlig erschöpftes Team. Die Hunde gehen keinen Schritt mehr. Die Musherin ist völlig verzweifelt. Ich wage nicht anzuhalten. Denn wenn meine Hunde sich jetzt auch niederlegen geht nichts mehr. Meine Lockrufe helfen auch nicht. Langsam verlieren wir sie aus den Augen. Nach den Seen kommen jetzt die letzten Anstiege. Mein Schlitten bleibt mehrmals in den Spuren der vorangegangenen Schlitten stecken. Anscheinend sind meine Kufen etwas breiter als die Norm. Es kostet jedes Mal viel Kraft den Schlitten wieder loszureißen und weiter zu schieben. Endlich kommt Röros in sichtweite. Der vormals sulzige Trail ist jetzt fest gefroren. Herkules hinterlässt bei jedem Schritt einen Blutfleck. Auch Ragnar tut es ihm gleich. So dicht vor den Ende noch zerschnittene Pfoten. Aber die Hunde sind zu müde um sich noch etwas anmerken zu lassen.
Endlich wieder unter der Brücke durch. Da steht ein Schild: Ziel in 600 Metern. Wir schleichen über das Startgelände, nur um noch eine Ehrenrunde vor dem Sporthotel drehen zu müssen. Dann haben wir es endlich geschafft. Der Zeitnehmer erklärt uns sofort dass wir auf dem 64. Platz angekommen sind. Das ist mir so was von egal. Endlich am Ziel. Zwei Männer stürmen auf mich ein und fragen nach einer Musherin die seit 01. 00Uhr als verschollen gilt. Das kann nur die Arme gewesen sein die uns auf dem See begegnet ist. Ich beruhige sie ein bisschen und sehe aus den Augenwinkeln wie Fatso überglücklich seinem Frauchen, meiner fleißigen Handlerin das Gesicht leckt vor Freude. Überschwänglich und mit einem strahlenden Lächeln begrüßt Elke uns am Ziel. Elroy kann es nicht richtig genießen. Er schläft im stehen. Wir fahren die letzten Meter zum Auto und erst hier wird richtig klar dass es wirklich zu Ende ist. Wir haben es geschafft!!

Fazit: ca. 750 Kilometer Schneetraining in ca. 3 Wochen Schwedenurlaub hat nicht gereicht um dieses Rennen gut zu meistern. Ob ich uns das jemals wieder zumute steht noch in den Sternen. Mein besonderer Dank gilt jedenfalls meinen Hunden und meiner Ehefrau Elke die, trotz drohender Ehekrise, es doch geschafft hat mich immer wieder bei Laune zu halten und aufzubauen, um dieses Rennen zu beenden. Ich möchte deshalb hier ganz gezielt auf Alle Doghandler hinweisen. Diese Unterschätzte kaum beachtete Spezies , ohne die ein solches Unternehmen unmöglich wäre.
Danke.

Uwe Becker – Femund 300 finisher im Februar 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Femund Team
 
   
   
   
   
Hestia 330 km
   
Funky 280km und 50km im Sack
   
Fatso 330km davon 50km in Lead
   
Elroy 330km
   
Ragnar 330km
   
 
 
Iceman 90km
   
 
 
Herkules 330km
   
 
 
Hägar 160km
   
 
 
Rolo
   
 
 
Uwe 330km
   
   
   
   

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